Liebe Offliner, wir müssen reden – ein Plädoyer für ein besseres gegenseitiges Verständnis

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Schatz wir müssen reden. So beginnen häufiger Konversationen, in denen lange schon nicht mehr über gegenseitige Erwartungen und Wahrnehmungen gesprochen wurde.

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Heute ist es mir ein Anliegen, selbiges aus der Sicht eines Onliners zu tun, adressiert an den eingefleischten Offliner. Keine Angst, es wird keine Generalabrechnung mit tradierten Offline Modellen werden.

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Mittlerweise wissen wir doch beide, dass die Wahrheit doch wohl irgendwo in der Mitte liegt. Das Internet wird also kein Neuland bleiben und sich durchsetzen. Aber das Nebeneinander verschiedener Kanäle wird sich zunehmend beginnend aufzulösen. Egal ob wir von Multichannel, Omnichannel, Noline-Handel oder Connected Commerce sprechen. Am Ende sind es verzahnte Disziplinen. Mit anderen Worten: Wir brauchen uns. Dies muss aber nicht immer zwingend so sein. Also lass uns reden.

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Wie erklär ich es Dir am Besten. Nun, ich gehe davon aus dass sich Dein Offline Wissen noch sehr stark aus dem Betriebswirtschaftsstudium speist, also Marketing und Handel. Okay Okay, natürlich haben wir beiden auch ein profundes Praxiswissen. Sei es drum, am einfachsten dürfe es sein, wenn ich als Ordnungsrahmen drei der vier Ps des Marketingmix bemühe: Also die Preispolitik, die Promotion und der Distribution, also die des „Place“ also der Distributionspolitik oder der Frage nach den richtigen Betriebstypen.  Das Thema Produkt würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, insofern halte ich es da mit Levitt, der gesagt hat „People don´t buy products, they buy benefits“. Die Änderung des Leistungsversprechens für ein Produkt (Benefit) mit den Möglichkeiten des Internets, sind einfach so riesig, dass ich hier nicht weiter darauf eingehe. Insofern starten wir mit dem Preis:

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1. Der Preis ist heiß

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Preispolitik. Ach wie war das damals noch einfach, statische Preisstrategien waren zumeist gerechnet nach dem Cost Plus Verfahren, bei dem eine durchschnittliche Marge dem Produkt oder der Dienstleistung zugeschlagen wurde. Weder wurde dort speziell auf die Margensituation jedes einzelnen Produktes geschaut, als vielmehr eine mischkalkulierte Gesamtmarge. Nur wenige Händler und Hersteller schauten damals schon auf die Zahlungsbereitschaft Ihrer kaufaffinen Zielgruppe und richteten darauf Ihren Preis aus. Der Kunde wählte zumeist nach Betriebstyp und legte sich mit der Wahl „Mediamarkt“ bereits fest, hatte er doch das Gefühl den besten Preis für das Produkt zu bekommen. Dass er dabei für das HDMI Kabel oder das Ersatz-Leuchtmittel einen doppelt so hohen Preis zahlte, fiel nicht weiter ins Gewicht.

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Mit dem Erstarken des Internets für die Kaufentscheidungsprozesse hat sich dieser Prozesse kollosal gewandelt. Margen müssen fortan nicht nur pro Betriebstyp gerechnet werden im Rahmen einer Mischkalkulation sondern aufgrund der Preistransparenz im Internet immer stärker auch auf einer Produktebene. Natürlich wird der Preis zukünftig eine größere Rolle spielen, die Preistransparenz nimmt weiter zu, amazon ist bereits heute schon eine „Produktsuchmaschine“ für den einfachen und preiswerten und serviceorientierten Einkauf im Internet. Darauf müssen sich nicht nur Online Händler einstellen, in dem Sie wettbewerbsfähige Preise und Services anbieten, auch das Thema „Sortiment“, „Beratung“ rücken in den Vordergrund.

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2. Promotion, oder „Kauf Du Sau“

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Leider sind die Antworten der Online Händler auch nicht immer überzeugend, die sich mit Neukundenrabatten und ständigen Couponaktionen in Vollstreuung um die kaufaffine Zielgruppe prügeln. Selbst wenn die Online Händler sehr gewieft sind, Ihre Werbebotschaft an den Mann oder die Frau zu bringen, wird dabei noch immer nicht über die Relevanz und nicht ausreichend über die Marketingeffizienz nachgedacht. Ein Digitales Stalking mit Retargeting-Angeboten für Produkte, die der Kunde vermeintlich schon gekauft hat oder auf deren Seiten er „by accident“ gelandet ist, drücken eben noch nicht eine Kaufabsicht oder einen Intent aus. Ein Digitales Kobern mit nicht relevanten Angeboten führt nicht zum Kauf sondern zur Kaufverweigerung.

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Da können wir Onliner sicherlich von Euch Offlinern lernen. Im stationären Handel ist der Kampf um Marktanteile seit Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten die übliche Praxis.  Das hat dazu geführt, dass weniger das Thema der „Neukundengewinnung“ im Fokus steht, sondern immer mehr das Thema Loyalty und die Bindung bestehender Stammkunden. Wir Onliner fangen damit erst gerade an (noch sind die Wachstumsprognosen ja noch größer als fünf Prozent). Offen über Bestandskundenpflege oder Loyalty sprechen derzeit nur wenige, wie z.B. zalando, ebay oder amazon (die nennen es aber Prime). Der Onliner per se neigt gerne dazu, über die „Bohrmaschine zu sprechen“, nicht aber „über das Loch in der Wand“. Mit anderen Worten schaffen vor allem die Onliner gerade einen Hype um das Thema „Big Data“. Dass es dabei um Daten von Kunden und vor allem um das Wissen von loyalen Kunden geht, über die man mehr weiß, als das was der Cookie hergibt, das muss sich auch erst bei uns Onlinern noch herumsprechen.

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Sprechen wir also von Angeboten der Zukunft und wie diese aussehen müssen: Diese „Offers“ müssen relevant sein, daher müssen Sie Kaufimpulse auslösen können. Insofern müssen wir mehr über unsere Kunden lernen, vor allem über die Loyalen. Kampagnen richten sich dabei an dem aus, was der Kunde mag, bisher gekauft hat und wo seine Interessen liegen. Da mit sinkenden Wachstumsraten im Online Handel und zusätzlicher Konkurrenz zwischen Off- und Online die Bedeutung von Bestandskunden noch zunimmt, müssen sich auch die Kampagnentypen entsprechend anpassen. Coupons oder Rabattangebote müssen zukünftig also auch berücksichtigen, ob sie sich  an Neukunden oder an Bestandskunden richten. Ein „One fits all“ wird zukünftig immer weniger die Regel sein.

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Ferner müssen die ausgelobten Treatments (also die Incentivierungshöhen) von Preisangeboten sich dynamisch ändern lassen. Mit anderen Worten richten sich Marketingkampagnen zukünftig auch Online verstärkt an Marketingzielen aus, die über die Neukundengewinnung hinausgehen: Frequenzsteigerung, Warenkorberhöhungen, Cross-Selling etc.  Dynamische Coupons, die in Abhängigkeit von Marketingzielen ausgesteuert und dann automatisch optimiert werden, sind Dinge von denen sowohl der Online- als auch der Offline Handel der Zukunft partizipiert. Wer sagt denn, dass ein digital ausgespielter Coupon, nicht auch die Frequenz und ein Cross-Selling im stationären Handel steigern kann. Hier können die Disziplinen viel voneinander lernen.

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3. Place – oder die Wahl des richtigen Distributionskanals (Kapieren statt nur zu kopieren)

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Die Zeiten in denen das Produkt alleine die Kaufentscheidung auslöst ,sind  im Offline- wie auch im Online Handel eher die Seltenheit. Viel wichtiger hierbei  ist sicherlich die Frage arrondierender Services, die mit dem Produkt oder der Dienstleistung angeboten werden. Wie steht es um die Verfügbarkeit des Produktes, wie steht es mit Garantie und Rückgabe, wie gut ist aber auch die Beratung um das Produkt etc. Letztlich sind dieses alles Binsenweisheiten und nicht wirklich neu. Die Nutzererfahrung oder user experience im deutschen Handel sieht indes anders aus:

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Gerade wenn es um das Thema Kundenzufriedenheit geht, dann machst Du es mir lieber Offline Handel vielfach auch nicht einfach…: Eine Befragung im Deutschen Einzelhandel  (BrandEins 05/2014) kam unter den Bediensteten im deutschen Einzelhandel auf die Frage: „Was ist für Sie Kundenzufriedenheit“ zu einer spannenden Antwort

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78% der Befragten antworteten: „Wenn ich mit dem Kunden zufrieden bin“! Insofern ist es nicht alleine die Frage nach dem Kanal in dem der Kunde kauft, sondern die Lebenswirklichkeit mit dem der Kunde konfrontiert wird. Wenn der aufgeklärte Kunde ein Waffeleisen, Kaffeemaschine oder einen Drucker im Elektronikfachmarkt sucht, nachdem er 15 Minuten einen Parkplatz und danach den Verkäufer gesucht hat, verlangt er neben Freundlichkeit auch eine gewissen Kenntnis der Produkte. Zumeist ist es aber so, dass der Verkäufer die Rezensionen und Testberichte über die Produkte weit weniger kennt als der Kunde selbst. Sollte er sich dann doch zum Kauf erbarmen, steht er erst an der Kasse und dann am Parkplatzautomaten an.

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Das ist in etwa so, als ob der Online Shop die Rezensionen verstecken würde, als Zahlungsmittel nur Vorkasse anbieten würde und bei Versandzeitraum 2 Wochen angibt. Im Unterschied zum Ladengeschäft, misst der Online Händler nicht nur die direkte Conversionrate vom Zeitpunkt in dem der Kunde den Laden betritt bis zum Checkout. Er tut auch alles dafür, dass der Prozess „seamless“ und ohne Störgefühle beim Kunden abläuft. Im stationären Handel habe ich nun wirklich nicht das Gefühl, dass ich mit allen meinen Sinnen zur Kaufentscheidung gebracht werde und mir alle Hindernisse auf dem Weg zur Zahlung, Verpacken der Produkte usw. aus dem Weg geräumt werden. Bei aller Schelte für den Offline Handel ist aber auch eines klar. Es gibt sie: Die toll gemachten Malls in Innenstadtlagen, die zum Kaufen verführen – die Lebenswirklichkeit in Mittel- und Kleinstädten sieht jedoch anders aus.

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Klar ist aber auch, dass es den digitalen Kunden auch in Zukunft nicht geben wird. Der Kunde kauft insofern nicht nur online, sondern er kauft online und offline und zukünftig auch verstärkt mobile. Dabei ist er wahrscheinlich sogar Kanal-agnostisch. Was für den Kunden zählt, ist der Mehrwert, den ihm der jeweilige Kanal in seiner Kaufentscheidung stiftet.

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Was ist also die Lösung. Die Lösung liegt in der intelligenten Verzahnung der Kanäle und der Betriebstypen. Der Begriff  „connected commerce“ trifft es sehr gut. Es stellt sich die Frage, welcher Kanal und auf welche Weise einen Mehrwert für den Kunden generiert werden kann.

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Offline Händler sind momentan darüber erstaunt, wie gut Click und Collect Modelle funktionieren, also solche Modelle, bei denen der Kunden online bestellt und die Ware offline im Laden abholt. Positive Rückmeldungen gibt es sowohl aus der Metrogruppe von Saturn aber auch von Thalia. Indes können dies ja nur erste Testballons sein, die in die Richtung führen.

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Intelligent gemacht könnte der Kaufprozess von morgen in etwa so ablaufen: Der Kunde kauft in einem Supermarkt seiner Wahl jede Woche 80% der Waren gleich. Am Ende identifiziert er sich mit einem unique identifier, ob es nun die Loyalty Card des Unternehmens oder aber die App des Unternehmens ist, die gleichzeitig für mobile payment eingesetzt wird. Der Clou dabei ist, dass der Warenkorb unter dem Profil des Kunden in einer automatischen Merkliste gespeichert wird. Bei nächster Gelegenheit entscheidet nun der Kunde, ob er den nächsten Einkauf unter Verwendung der Merkliste zu sich nach Hause schicken lässt oder ob er den vorgebonten und vorgepackten Warenkorb direkt in der Filiale abholt. Dann hat er unter Umgehung des quälenden Einkaufs- und Suchprozesses die Möglichkeit zwei bis drei fehlende Produkte dem bereits mit einem Bon versehenen Warenkorb hinzuzufügen. Andere Beispiele lassen sich finden, wo physischer Service mit Internettechnologien einen Mehrwert für den Kunden darstellt.

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Wenn der Kunde seinen Einkauf auf das Band legt, indes einen Shoppingbummel in der Innenstadt vorhatte, so könnte Ihn die Kassiererin ja auch fragen, ob die Waren zusammengepackt werden sollen oder gleich an die vom Kunden unter der Kundenkarte oder an die auf der App gespeicherten Adresse nach Hause geliefert werden sollen. Das ist sicherlich keine Raketenwissenschaft, sondern nur eine Erweiterung des Leistungsversprechens über Services, die gerade im Neuland Deutschland so komplett nicht fruchten wollen.

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Es ist sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis die großen Online Player die Innenstädte erobern.  Die ersten Pop Up Stores sind bereits da. Vielleicht geht es dabei nur um die Etablierung und Sichtbarmachung einer starken Marke, vielleicht geht es aber auch darum, einen physischen Kontakt zum Kunden herzustellen. Womöglich geht es auch nur darum, die Produkte in einem beleuchten Schaufenster in Innenstadtlage zu präsentieren und einen einfachen Prozess anzubieten, das präsentierte Produkt nach Hause oder in die Filiale zu bestellen. Oder es wird die Verzahnung im Backend der Warenwirtschaftssysteme sein, die es erlaubt, dass Produkte entweder online gekauft und geliefert oder aber im Geschäft vor Ort direkt und in der richtigen Größe gekauft werden können. zalando denkt bereits darüber nach. Andere werden folgen.

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Die Zukunft wird es zeigen. Diese gilt es jedoch zu gestalten, es gilt nicht ohne Grund der Spruch: „Jammern ist der Gruß der Kaufleute“ und genau hier muss der Ansatz liegen, etwas zu ändern.

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